5. Finanzielle Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung
Die Ausgaben für das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung sind im Jahr 2023 (vgl. Kap. 2.1) weiter gewachsen. Mit einem Plus von 12% übersteigt das Wachstum deutlich den Anstieg im Vorjahr (3%). Mittlerweile werden 13,39 Mrd. EUR (vgl. Abb. 5.2) pro Jahr für die Hilfen zur Erziehung aufgewendet.1 Werden die angrenzenden Leistungsbereiche und Maßnahmen, beispielsweise die Eingliederungshilfen bei einer (drohenden) seelischen Behinderung oder Inobhutnahmen, berücksichtigt, ergibt sich ein Betrag von 16,94 Mrd. EUR, der für das entsprechende Hilfesystem seitens der öffentlichen Gebietskörperschaften aufgewendet wird.2
18% der Kinder- und Jugendhilfeausgaben sind Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung
Im Jahre 2023 wurden rund 71,89 Mrd. EUR für die Kinder- und Jugendhilfe aufgewendet (vgl. Abb. 5.1). Während mit 68% ein Großteil der finanziellen Mittel in den Bereich der Kindertagesbetreuung fließt, folgen an zweiter Stelle die Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung einschließlich der Hilfen für junge Volljährige. Ihr Anteil beträgt 19% am Gesamtetat der öffentlichen Gebietskörperschaften für Strukturen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – eine Größenordnung, die die Bedeutung der Hilfen zur Erziehung und der Hilfen für junge Volljährige als personenbezogene Dienstleistungen der Kinder- und Jugendhilfe einmal mehr hervorhebt. Allerdings lässt sich seit 2017 ein leicht rückläufiger Trend des Anteils beobachten, der von 22% im Jahr 2017 um 3 Prozentpunkte gesunken ist.
Für Arbeitsfelder und Handlungsbereiche jenseits der Kindertagesbetreuung und der Hilfen zur Erziehung werden deutlich weniger finanzielle Mittel eingesetzt. Beispielsweise liegt der Anteil der Ausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit an den finanziellen Aufwendungen insgesamt bei etwa 3% sowie der für die Jugendsozialarbeit oder auch der für die Förderung der Erziehung in den Familien zwischen 1% und 2% des Gesamtetats.
Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) im Vergleich zu Aufwendungen für andere Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe (Deutschland; 2023; Angaben in %, nominale Ausgaben)
insgesamt
71,89 Mrd. EUR
1) Ferner werden hierunter Aufwendungen für Beratungsleistungen jenseits der Erziehungsberatung, die gemeinsame Unterbringung von vor allem Müttern mit ihren unter 6-jährigen Kindern, aber auch der erzieherische Kinder- und Jugendschutz gefasst.
2) Einschließlich der Hilfen für junge Volljährige
3) Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Aufwendungen im Rahmen der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten oder den Jugendgerichten, für Aufgaben der Adoptionsvermittlung oder auch Amtspflegschaften und -vormundschaften.
Quelle: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2023; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
13,39 Mrd. EUR Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung
Die kommunalen Jugendämter haben im Jahre 2023 13,39 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung einschließlich der Hilfen für junge Volljährige aufgewendet (vgl. Abb. 5.2). Damit sind die finanziellen Aufwendungen für Leistungen der Hilfen zur Erziehung sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Zahl der jungen Menschen gestiegen. Bei der Einordnung dieses Anstiegs können die folgenden Hinweise hilfreich sein:
- Zwischen 2000 und 2023 sind die Ausgaben um 8,66 Mrd. EUR auf die besagten 13,39 Mrd. EUR gestiegen. Das entspricht, über den gesamten Zeitraum betrachtet, einer Zunahme von rund 183% (+45% für die erste Dekade von 2000 bis 2010 sowie +95% von 2010 bis 2023; vgl. Abb. 5.2).3
- Ein wichtiger Kontext bei der Einordnung der Ausgaben ist die Inflation. Die allgemeinen Preissteigerungen können als Indexwert mit dem BIP-Deflator auf der Grundlage der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen ausgewiesen werden (vgl. AK VGRDL 2024). So stiegen die Preise im Allgemeinen zwischen den Jahren 2010 und 2023 um 37%. Insbesondere in den Jahren 2022 und 2023 zeigte sich eine höhere Inflation im Vergleich zu den Vorjahren. So stiegen die Preise im Jahr 2022 um 5% im Vergleich zum Vorjahr und im Jahr 2023 um 7%. Die allgemeine Preisentwicklung im Jahr 2023 stellt damit den größten Preisanstieg seit der Einführung des Euro in Deutschland dar. Die im BIP-Deflator abgebildeten Preisentwicklungen wirken sich nicht in gleicher Weise in der Kinder- und Jugendhilfe aus, sind aber ein geeigneter Anhaltspunkt für diese. Ein wichtiger Faktor für Preisentwicklung in der Kinder- und Jugendhilfe sind die Personalkosten. Neben der Berücksichtigung der allgemeinen Tarifentwicklungen im BIP-Deflator bietet die Betrachtung der Monatsverdienste einschließlich Sonderzahlungen eine genauere Orientierung für die Kinder- und Jugendhilfe. So stiegen diese in den Bereichen „Sozialwesen (ohne Heime)“ (+4,6%), „Heime“ (+4,5%) und „Erziehung und Unterricht“ (+2,1%) im Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr ebenfalls deutlich an (vgl. Destatis 2025).
- Sowohl im Zeitraum von 2010 bis 2023 als auch zwischen dem Jahr 2022 und 2023 stiegen die Ausgaben für Hilfen zur Erziehung stärker als die allgemeine Preisentwicklung an.
- Im Verhältnis zur Zahl der unter 21-jährigen jungen Menschen in der Bevölkerung haben die sogenannten „Pro-Kopf-Ausgaben“, also die Aufwendungen pro jungem Menschen in der besagten Altersgruppe, im Zeitraum von 2000 bis 2023 von nominal 257 EUR auf 798 EUR zugenommen und haben sich damit um den Faktor 3,1 erhöht (vgl. Abb. 5.2). Zwischen 2000 und 2010 entspricht das einer Zunahme um den Faktor 1,7 und zwischen 2010 und 2023 einer Zunahme um den Faktor 1,9.
Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) (Deutschland; 2000 bis 2023; Angaben in 1.000 EUR sowie pro unter 21-Jährigen, nominale Ausgaben)
Methodischer Hinweis: Bei den finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung werden die Ausgaben der Kommunen für die Durchführung der Leistungen sowie die einrichtungsbezogenen Aufwendungen des öffentlichen Trägers für eigene Einrichtungen und die Fördergelder an freie Träger mitberücksichtigt. Dies gilt im Besonderen für die Erziehungsberatung und die Einrichtungen der Heimerziehung.
Die Bevölkerungsdaten beziehen sich bis 2013 auf Fortschreibungen mit Basisjahr 1987 und 1990 sowie ab 2014 auf die Fortschreibung des Zensus 2011.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
Anstieg der Aufwendungen für Hilfen in allen Leistungssegmenten
In den letzten Jahren haben diverse Faktoren Einfluss auf die Entwicklung der finanziellen Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung genommen. Die größte Rolle spielt die Fallzahlentwicklung – je mehr Fälle, desto höher sind auch die Ausgaben (für die Entwicklung der Fallzahlen vgl. Kapitel 2, 3 und 4). Über die allgemeinen Faktoren hinaus zeigen sich zwischen den einzelnen Leistungssegmenten unterschiedliche Entwicklungen:
- Der Anstieg der Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung war in den 2000er-Jahren vor allem auf Mehrausgaben im Bereich der ambulanten Leistungen jenseits der Erziehungsberatung zurückzuführen. In der zweiten Dekade und insbesondere zwischen 2015 und 2017 sind jedoch die Ausgaben für Fremdunterbringung (Vollzeitpflege und insbesondere Heimerziehung) stärker gestiegen als die finanziellen Aufwendungen für ambulante Leistungen. Dies ist dadurch zur erklären, dass in diesem Zeitraum ein besonders hoher Bedarf an diesen Leistungen für unbegleitete ausländische Minderjährige (UMA) bestand und somit auch mehr Fremdunterbringungen durchgeführt wurden.
- Die finanziellen Aufwendungen für die Erziehungsberatung sind zwischen 2000 und 2010 nominal um 19% und zwischen 2010 und 2023 um 39% gestiegen. Zwischen 2022 und 2023 sind die Aufwendungen für die Erziehungsberatung nominal um 7% gestiegen und damit stärker als die allgemeinen Preissteigerungen.
- Die Ausgaben für ambulante Leistungen der Hilfen zur Erziehung haben sich zwischen 2000 und 2010 mit einer Steigerung von 116% mehr als verdoppelt. Im Zeitraum von 2010 bis 2023 ist eine nominale Zunahme der finanziellen Aufwendungen um 75% zu beobachten. Die Jahre mit den stärksten Zuwachsraten liegen im Jahr 2008 und 2009. Nachdem die Aufwendungen für ambulante Hilfen zwischen 2018 und 2021 jährlich jeweils um 6% gestiegen sind, wurden 2022 nur 2% mehr Aufwendungen für die ambulanten Hilfen zur Erziehung im Vergleich zu 2021 aufgebracht. Im Jahr 2023 stiegen die Ausgaben für ambulante Leistungen der Hilfen zur Erziehung im Vergleich zum Vorjahr um 10% an. Der Anstieg ist damit höher als die allgemeinen Preissteigerungen in diesem Zeitraum.
- Bei den Fremdunterbringungen für Kinder und Jugendliche sind die Ausgaben zwischen 2000 und 2023 um 170% gestiegen. Insbesondere von 2010 bis 2023 ist ein starkes Wachstum von 107% zu verzeichnen. Während zwischen 2021 und 2022 die Aufwendungen für die Fremdunterbringung um 4% - und damit geringer als die allgemeinen Preise – stiegen, lässt sich für das Jahr 2023 im Vergleich zum Vorjahr ein deutlicher Anstieg der Ausgaben um 13% feststellen. Dieser überstieg zudem merklich die allgemeinen Preissteigerungen in diesem Zeitraum.
- Der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für die Fremdunterbringungen zwischen 2010 und 2023 in einer Größenordnung von +3,02 Mrd. EUR ist auf die Leistungen der Heimerziehung (+101%) zurückzuführen (ohne Abb.). Dabei sind die Ausgaben für Leistungen der Heimerziehung zwischen 2015 und 2016 um 0,94 Mrd. EUR (+24%) gestiegen; zwischen den Jahren 2016 und 2017 lag dieser Anstieg wiederum bei knapp 3%. Erstmals seit dem Jahr 2000 sanken die Ausgaben 2018 um 0,18 Mrd. EUR (-4%). Seit 2019 steigen die Aufwendungen für die Heimerziehung wieder moderat an, zuletzt um 4% im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr. Zwischen den Jahren 2022 und 2023 stiegen die Aufwendungen für die Heimerziehung hingegen deutlich um 13% an.
- In der Ausgabenentwicklung der ambulanten und stationären Hilfen für junge Volljährige lassen sich Ähnlichkeiten zur Entwicklung der Ausgaben der Fremdunterbringung erkennen. Die Ausgaben für junge Volljährige steigen bis 2015 moderat an und nehmen dann in den Jahren 2016, 2017 und 2018 sprunghaft zu. Zwar liegen die absoluten Zahlen deutlich unter der Ausgabenhöhe für Fremdunterbringung, der prozentuale Zuwachs von 2015 bis 2018 für die Hilfen für junge Volljährige (+94%) übersteigt jedoch den Zuwachs der Fremdunterbringung (+20%) signifikant. Hintergrund dieses bis 2018 anhaltend starken Zuwachses ist das Erreichen der Volljährigkeit von jungen Geflüchteten, welche seit 2015 in Deutschland Schutz gesucht haben, und der damit verbundene höhere Bedarf an Hilfen für junge Volljährige. 2019 und 2020 sanken die Ausgaben für die Hilfe für junge Volljährige wieder. Während im Jahr 2021 die Ausgabenentwicklung für Hilfen für junge Volljährige stagnierte, stiegen die Aufwendungen im Jahr 2022 wieder an (+4%), wenngleich geringer als die allgemeinen Preise im gleichen Zeitraum. Im Jahr 2023 sind die Aufwendungen im Vergleich zum Vorjahr um 17% angestiegen und übersteigen damit deutlich die allgemeinen Preisentwicklungen.
- Die Ausgaben für Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung, der Hilfen für junge Volljährige und Inobhutnahmen sind zwischen 2000 und 2010 zunächst um 14% zurückgegangen. Für den Zeitraum zwischen 2010 und 2023 ist hingegen ein Anstieg dieses Ausgabenpostens von 94% zu verzeichnen. In diesem Zeitraum gab es die stärksten jährlichen Zuwächse in den Jahren 2014 (+14%), 2015 (+9%) und 2016 (+19%). Anschließend sind die Zahlen 2017 (-2%) leicht zurückgegangen. 2018 blieben sie konstant und seit 2019 steigen die einrichtungsbezogenen Ausgaben wieder an, wobei die Veränderung zwischen 2020 und 2021 mit 4% kaum über der der allgemeinen Preissteigerungsrate liegt. Während die nominalen Ausgaben im Jahr 2022 um 5% sanken, stiegen sie 2023 im Vergleich zum Vorjahr deutlich um 13% an und übersteigen damit die allgemeinen Preissteigerungen im gleichen Zeitraum.
Ausgaben für Hilfen zur Erziehung nach Leistungssegmenten, für Hilfen für junge Volljährige und einrichtungsbezogene Ausgaben (Deutschland; 2000 bis 2023; Angaben in 1.000 EUR; nominale Ausgaben)
1) Ausgaben für Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung und für Einrichtungen für Hilfen für junge Volljährige und für Inobhutnahmen
Methodischer Hinweis: Da die Ausgaben für junge Volljährige sowie die einrichtungsbezogenen Ausgaben über die amtliche Statistik nicht weiter differenziert werden und somit den unterschiedlichen Leistungssegmenten nicht zuzuordnen sind, werden diese beiden Ausgabenposten in dieser Darstellung getrennt ausgewiesen.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
47% der „HzE-Mittel“ werden für Heimerziehung ausgegeben
Einer der zentralen Aspekte für die Unterstützung bzw. Ergänzung der familiären Erziehung ist die Ausdifferenzierung der Hilfen zur Erziehung insbesondere im Bereich der ambulanten Leistungen. Hier hat das SGB VIII unterschiedliche pädagogische Settings rechtlich kodifiziert, ohne einen abschließenden Katalog festgeschrieben zu haben.4 Gleichwohl zeigt die Verteilung der Ausgaben, dass mit 47% fast die Hälfte der finanziellen Aufwendungen für die Heimerziehung aufgewendet wird (vgl. Abb. 5.4). Damit wird etwa jeder zweite Euro für Leistungen der Hilfen zur Erziehung für die Heimerziehung eingesetzt. Diese rund 6 Mrd. EUR sind mit Abstand der größte Einzelposten in den Hilfen zur Erziehung. Zusammen mit der Vollzeitpflege liegt der Anteil der Ausgaben für die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen sogar bei 59%. Grund dafür ist in erster Linie nicht die Zahl der Inanspruchnahmen einzelner Leistungen, sondern vielmehr der für die Leistungserbringung notwendige Personalumfang.
Jeweils ähnlich große Anteile der Gesamtausgaben entfallen auf die Vollzeitpflege (12%), die Hilfen für junge Volljährige (12%) und die Sozialpädagogische Familienhilfe (11%). Weitere 5% des Gesamtbudgets werden jeweils für die Finanzierung von teilstationären Hilfen, insbesondere in Tagesgruppen, und für flexible 27,2er-Hilfen jenseits des rechtlich kodifizierten Leistungskanons eingesetzt. Ambulante Leistungen wie die Soziale Gruppenarbeit oder die Erziehungsbeistandschaften weisen gerade einmal einen Anteil von 1 bis 3% an den Gesamtausgaben aus (vgl. Abb. 5.4).
Etwa 4% der insgesamt aufgewendeten 12,87 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung (hier ohne einrichtungsbezogene Kosten für Fremdunterbringungen und junge Volljährige, s. Anmerkung zu Abb. 5.4) werden entweder direkt für die Durchführung von Leistungen oder in Form einer institutionellen Finanzierung für die Erziehungsberatung ausgegeben.
Verteilung der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung nach Hilfearten und für Hilfen für junge Volljährige (Deutschland; 2023; Angaben in %; nominale Ausgaben)
insgesamt
11,51 Mrd. EUR
Anmerkung: Die einrichtungsbezogenen Ausgaben für Fremdunterbringung sowie für Hilfen für junge Volljährige wurden hier ausgeklammert, da diese nicht eindeutig zu einer Hilfeart zuzuordnen sind. Werden diese Ausgaben berücksichtigt, beträgt das Gesamtvolumen der finanziellen Aufwendungen 13,39 Mrd. EUR (vgl. Abb. 5.2). Bei der Erziehungsberatung wurden entsprechende einrichtungsbezogene Ausgaben berücksichtigt, da diese konkret zugeordnet werden können.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2023; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
Länderunterschiede bei der Höhe der finanziellen Aufwendungen
Die Ergebnisse zu den finanziellen Aufwendungen für die Strukturen und vor allem für die Durchführung der Leistungen der Hilfen zur Erziehung sind trotz einheitlicher gesetzlicher Grundlagen – so wie auch bei den Fallzahlen und Inanspruchnahmequoten (vgl. Kap. 2) – durch erhebliche regionale Unterschiede gekennzeichnet (vgl. Abb. 5.5). Für die Bundesländer lassen sich folgende Ergebnisse festhalten:
- Im Ländervergleich variiert die Höhe der finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung zwischen 453 EUR pro unter 21-Jährigen in Bayern und 1.658 EUR im Stadtstaat Bremen. Damit variieren die „Pro-Kopf-Ausgaben“ zwischen den beiden Bundesländern um den Faktor 3,7.
- Nicht zuletzt, weil in den Stadtstaaten tendenziell mehr Leistungen der Hilfen zur Erziehung in Anspruch genommen werden als in den Flächenländern (vgl. Kapitel 4), ist es sinnvoll, auch bei den Ergebnissen zu den Ausgaben für diesen Bereich eine entsprechende Unterscheidung vorzunehmen. Dabei variiert im Verhältnis zu den unter 21-Jährigen die Ausgabenhöhe in den Stadtstaaten zwischen 934 EUR (Berlin) und 1.658 EUR (Bremen), während in den Flächenländern eine Schwankungsbreite zwischen 453 EUR (Bayern) und 1064 EUR (Sachsen-Anhalt) bei den „Pro-Kopf-Ausgaben“ zu konstatieren ist.
- Innerhalb der Flächenländer fällt das Ergebnis für Sachsen-Anhalt um 85 EUR pro unter 21-Jährigen höher aus als der Wert für Brandenburg mit 979 EUR, der an zweiter Stelle steht. Es folgen mit 971 EUR Nordrhein-Westfalen und mit 902 EUR Mecklenburg-Vorpommern; dahinter stehen Niedersachsen mit 875 EUR, Rheinland-Pfalz und Sachsen mit 867 und 847 EUR. Weniger als 830 EUR pro unter 21-Jährigen werden demgegenüber im Saarland, Hessen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern aufgewendet.
- Diese Verteilung korrespondierte in den letzten Jahren an vielen Stellen mit der Höhe der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung, insbesondere mit der Höhe der Fremdunterbringungen (vgl. Kapitel 2).5 Das heißt: Bei einer hohen Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung in einem Bundesland ist tendenziell von höheren finanziellen Aufwendungen für dieses Arbeitsfeld auszugehen.
- Auch die Entwicklung der Ausgaben zwischen 2022 und 2023 unterscheidet sich stark zwischen den Bundesländern. Hier reicht die Spannweite der Entwicklung von +6% im Saarland bis zu +16% in Bremen. Alle Länder haben ihre Ausgaben für Hilfen zur Erziehung im Vergleich zum Vorjahr gesteigert.
Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) (Länder; 2023; Angaben pro unter 21-Jährigen; nominale Ausgaben)
Anmerkung: Zur Berechnungsgrundlage der finanziellen Aufwendungen für die Bundesländer siehe auch den methodischen Hinweis zu Abb. 5.2.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2023; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik
Erkenntnisse und Perspektiven
Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahre 2023 13,39 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung und die Hilfen für junge Volljährige ausgegeben. Diese Summe entspricht einem Anteil von 19% an den Gesamtaufwendungen für Leistungen und Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt. Im Verhältnis aller in Deutschland lebenden jungen Menschen im Alter von unter 21 Jahren entsprechen die zuletzt erfassten Jahresausgaben einem Betrag von 798 EUR pro jungem Menschen. Im Jahre 2000 lag dieser Wert noch bei 257 EUR.
Die Höhe der finanziellen Aufwendungen ist allerdings regional in hohem Maße unterschiedlich. Während für Deutschland insgesamt die Ausgaben pro unter 21-Jährigen für Strukturen und vor allem Leistungen der Hilfen zur Erziehung bei den besagten 798 EUR liegen, variiert dieser Wert zu den „Pro-Kopf-Ausgaben“ im Vergleich der Flächenländer zwischen 453 EUR in Bayern und 1.064 EUR in Sachsen-Anhalt. In den Stadtstaaten fällt diese Kennzahl höher aus. Im Stadtstaat Bremen werden – statistisch betrachtet – rund 1.658 EUR pro unter 21-Jährigen ausgegeben.
Der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung verteilt sich nicht gleichermaßen auf die Leistungssegmente und die Hilfearten. Während insbesondere für die Erziehungsberatung die Ausgabenzuwächse zwischen 2000 und 2023 vergleichsweise spärlich ausfallen, sind vor allem die finanziellen Aufwendungen für die ambulanten Leistungen in der ersten Dekade der 2000er-Jahre – aber auch schon in den 1990er-Jahren – deutlich und kontinuierlich gestiegen. Die zweite Dekade zeichnete sich zeitweise dadurch aus, dass im Bereich der Fremdunterbringungen die Ausgaben für die Vollzeitpflege und insbesondere für die Heimerziehung sowie anschließend auch für die Hilfen für junge Volljährige deutlich zugenommen haben. 2018 wurde jedoch aufgrund rückläufiger Bedarfslagen für UMA gegenüber dem Vorjahr6 ein sinkender Ausgabenwert ausgewiesen. Nach einer kurzen Stagnation im Jahr 2019 steigen die Werte seit 2020 erneut an. Im Jahr 2023 kam es in der Breite der Leistungen der Hilfen zur Erziehung zu einem deutlichen Anstieg der Ausgaben, welcher auch vor dem Hintergrund der allgemeinen hohen Inflation in diesem Jahr zu betrachten ist.
Da ein Großteil der Kosten bei den Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe auf den Posten Personal entfällt, ist der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung neben der leicht höheren Inanspruchnahme zum Vorjahr höchstwahrscheinlich auf die Entwicklung der Personalzahlen sowie der Personalkosten zurückzuführen. Dieser Zusammenhang kann auf der Basis der Entwicklung von Vollzeitäquivalenten und Ausgaben für Hilfen zur Erziehung in den letzten Jahren festgestellt und auch für die Ausgaben 2021, 2022 und 2023 vermutet werden. Eine Fortschreibung des Vergleiches ist allerdings nicht ohne Weiteres möglich, da 2022 eine vollständig neu konzipierte Träger- und Personalstatistik eingeführt wurde.
Blickt man auf die aktuellen Entwicklungen und Debatten in den Hilfen zur Erziehung, ist zunächst davon auszugehen, dass die Ausgaben auch künftig steigen werden. Es ist bei den ambulanten Hilfen zu beobachten, dass die Inanspruchnahmezahlen nach dem Rückgang durch die Coronapandemie wieder ansteigen und vermutlich auch zukünftig weiter zunehmen werden. Auch die gestiegenen Inobhutnahmezahlen von unbegleiteten ausländischen Minderjährigen haben sich auf die Hilfen zur Erziehung auswirkt und zu umfangreicheren Ausgaben geführt. Ähnlich zu der Ausgabenentwicklung in den Hilfen zur Erziehung in den Jahren 2015, 2016 und 2017 kann vermutet werden, dass die erhöhten Ausgaben aufgrund von einem höheren Bedarf an Hilfen für UMA nicht nur kurzzeitig auftreten. Ebenso wird die im Frühjahr 2023 ausgehandelte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst in Form einer Erhöhung der Entgelte von +5,5% ab 2024 zu einem Anstieg in den Gesamtausgaben führen. Weiterhin bleibt abzuwarten, in welcher Intensität es zu einem Ausbau der Hilfen zur Erziehung kommen wird, da die benötigten Mittel zunächst durch die öffentliche Hand zur Verfügung gestellt werden müssen, was in Zeiten knapper kommunaler Kassen nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Zudem deuten die jüngsten Hilferufe der Fachpraxis nach qualifizierten Fachkräften darauf hin, dass das Wachstum vor allem auch durch fehlendes Personal gebremst werden könnte. Hier wird es darauf ankommen, welche Strategien die Politik entwickelt und wie erfolgreich diese dem hohen Fachkräftebedarf entgegenwirken können.
Literatur:
[AK VGRDL] Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ im Auftrag der Statistischen Ämter der 16 Bundesländer, des Statistischen Bundesamtes und des Bürgeramtes, Statistik und Wahlen (Hrsg.) (2024): Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2023. Reihe 1, Länderergebnisse Band 1. Stuttgart.
[Destatis] Statistisches Bundesamt (2025): Indizes der Tarifverdienste, Wochenarbeitszeit: Deutschland, Jahre, Wirtschaftszweige. Verfügbar über: www-genesis.destatis.de/datenbank/online/statistic/62221/table/62221-0001/table-toolbar; [14.02.2025].
Fendrich, S./Tabel, A./Erdmann, J./Frangen, V./Göbbels-Koch, P./Mühlmann, T. (2023): Monitor Hilfen zur Erziehung 2023. Dortmund.
Schilling, M. (2011): Der Preis des Wachstums. In: Rauschenbach, Th./Schilling, M. (Hrsg.), Kinder- und Jugendhilfereport 3. Weinheim und München, S. 67-86.
Wapler, F. (2022): Vierter Abschnitt. Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige. Vorbemerkungen. In: Wiesner, R./Wapler, F. (Hrsg.): SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 6. Auflage. München, S. 506-516.
- Der Betrag von 13,39 Mrd. EUR setzt sich aus den Ausgaben für Einzel- und Gruppenhilfen der Hilfen zur Erziehung und den Hilfen für junge Volljährige sowie den Ausgaben für Einrichtungen der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen und Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung und Hilfe für junge Volljährige sowie für die Inobhutnahme zusammen. Diese sind der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zu den Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe 2023 entnommen. Die folgenden Berechnungen beziehen sich stets auf die 13,39 Mrd. Euro als Ausgaben für Hilfen zur Erziehung.
- Die Summe von 16,94 Mrd., die vom statistischen Bundesamt als Gesamtbetrag für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfen für junge Volljährige und vorläufige Schutzmaßnahmen ausgewiesen wird, beinhaltet, bis auf die Ausgaben für Einrichtungen der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen, alle Ausgaben der zuvor benannten Posten. Daneben werden noch die Einzel- und Gruppenhilfen der Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, der Hilfen für junge Volljährige und der vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen eingerechnet.
- Bei der Entwicklung der finanziellen Aufwendungen sollte – insbesondere für den Zeitraum von Mitte der 2000er-Jahre bis Anfang der 2010er-Jahre – die Umstellung der kommunalen Haushalte von der Kameralistik auf die Doppik bzw. die Regelungen der Länder zum kommunalen Haushaltswesen beachtet werden. Aufgrund von Umstellungen in der Kostenzuordnung konnte es zu einem Anstieg der finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung kommen, ohne dass real mehr Ausgaben seitens der Kommune für diesen Leistungsbereich aufgewendet worden wäre (vgl. Schilling 2011, S. 71f.). Auch wenn diese Umstellung in den meisten Ländern abgeschlossen ist, ist diese in drei Bundesländern weiterhin möglich. Der Einfluss dieser Umstellung auf die Gesamtausgaben lässt jedoch stetig nach.
- Vgl. Wapler 2022, S. 508
- Vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2021
- Vgl. Fendrich u.a. 2023