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5. Finanzielle Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung

Die Ausgaben für das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung sind im Jahr 2022 (vgl. Kap. 2.1) weiter gewachsen. Mit einem Plus von 3% entspricht das Wachstum dem im Vorjahr. Mittlerweile werden 11,98 Mrd. EUR (vgl. Abb. 5.2) pro Jahr für die Hilfen zur Erziehung aufgewendet.1 Werden die angrenzenden Leistungsbereiche und Maßnahmen, beispielsweise die Eingliederungshilfen bei einer (drohenden) seelischen Behinderung oder Inobhutnahmen, berücksichtigt, ergibt sich ein Betrag von 14,86 Mrd. EUR, der für das entsprechende Hilfesystem seitens der öffentlichen Gebietskörperschaften aufgewendet wird.2

18% der Kinder- und Jugendhilfeausgaben sind Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung

Im Jahre 2022 wurden rund 65,83 Mrd. EUR für die Kinder- und Jugendhilfe aufgewendet (vgl. Abb. 5.1). Während mit 69% ein Großteil der finanziellen Mittel in den Bereich der Kindertagesbetreuung fließt, folgen an zweiter Stelle die Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung einschließlich der Hilfen für junge Volljährige. Ihr Anteil beträgt 18% am Gesamtetat der öffentlichen Gebietskörperschaften für Strukturen und Leistungen der Kinder- und Jugendhilfe – eine Größenordnung, die die Bedeutung der Hilfen zur Erziehung und der Hilfen für junge Volljährige als personenbezogene Dienstleistung der Kinder- und Jugendhilfe einmal mehr hervorhebt. Allerdings lässt sich seit 2017 ein leicht rückläufiger Trend des Anteils beobachten, der von 22% im Jahr 2017 um 4 Prozentpunkte gesunken ist.

Für Arbeitsfelder und Handlungsbereiche jenseits der Kindertagesbetreuung und der Hilfen zur Erziehung werden deutlich weniger finanzielle Mittel eingesetzt. Beispielsweise liegt der Anteil der Ausgaben für die Kinder- und Jugendarbeit an den finanziellen Aufwendungen insgesamt bei etwa 3% sowie der für die Jugendsozialarbeit oder auch der für die Förderung der Erziehung in den Familien zwischen 1% und 2% des Gesamtetats.

Abb. 5.1:

Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) im Vergleich zu Aufwendungen für andere Arbeitsfelder der Kinder- und Jugendhilfe (Deutschland; 2022; Angaben in %, nominale Ausgaben)

Ausgaben
insgesamt
65,83 Mrd. EUR

1) Ferner werden hierunter Aufwendungen für Beratungsleistungen jenseits der Erziehungsberatung, die gemeinsame Unterbringung von vor allem Müttern mit ihren unter 6-jährigen Kindern, aber auch der erzieherische Kinder- und Jugendschutz gefasst.
2) Einschließlich der Hilfen für junge Volljährige
3) Unter diese Kategorie fallen beispielsweise Aufwendungen im Rahmen der Mitwirkung in Verfahren vor den Familiengerichten oder den Jugendgerichten, für Aufgaben der Adoptionsvermittlung oder auch Amtspflegschaften und -vormundschaften.
Quelle: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2022; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

11,98 Mrd. EUR Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung

Die kommunalen Jugendämter haben im Jahre 2022 11,98 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung einschließlich der Hilfen für junge Volljährige aufgewendet (vgl. Abb. 5.2). Damit sind die finanziellen Aufwendungen für Leistungen der Hilfen zur Erziehung sowohl absolut als auch im Verhältnis zur Zahl der jungen Menschen gestiegen. Bei der Einordnung dieses Anstiegs können die folgenden Hinweise hilfreich sein:

  • Zwischen 2000 und 2022 sind die Ausgaben um 7,25 Mrd. EUR auf die besagten 11,98 Mrd. EUR gestiegen. Das entspricht, über den gesamten Zeitraum betrachtet, einer Zunahme von rund 153% (+45% für die erste Dekade von 2000 bis 2010 sowie +74% von 2010 bis 2022; vgl. Abb. 5.2).3
  • Ein wichtiger Kontext bei der Einordnung der Ausgaben ist die Inflation. Berechnet man diese allgemeine Preissteigerung in den Ausgaben mit ein, so ist „real“ – auf dem Preisniveau des Jahres 2022 – zwischen 2010 und 2022 von einer Zunahme der finanziellen Aufwendungen in Höhe von lediglich rund 46% auszugehen.4 Die preisbereinigte Ausgabensteigerung beträgt somit weniger als zwei Drittel des nominalen Ausgabenanstiegs in diesem Zeitraum.
  • Im Jahr 2022 war die Inflation besonders stark ausgeprägt. Das zeigt sich auch bei der Betrachtung der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung. So sind 2022 die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr zwar nominal um 3% gestiegen. Unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerung zeigt sich allerdings, dass die Ausgaben real um 2% zurückgegangen sind.
  • Im Verhältnis zur Zahl der unter 21-jährigen jungen Menschen in der Bevölkerung haben die sogenannten „Pro-Kopf-Ausgaben“, also die Aufwendungen pro jungem Menschen in der besagten Altersgruppe, im angegebenen Zeitraum von nominal 257 EUR auf 717 EUR zugenommen und haben sich damit um den Faktor 2,8 erhöht (vgl. Abb. 5.2). Zwischen 2000 und 2010 sowie von 2010 und 2022 entspricht das einer jeweiligen Zunahme um den Faktor 1,7. Preisbereinigt beträgt der Faktor zwischen 2000 und 2022 1,8 und zwischen 2000 und 2010 sowie zwischen 2010 und 2022 jeweils 1,3. 
ABB. 5.2:

Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) (Deutschland; 2000 bis 2022; Angaben in 1.000 EUR sowie pro unter 21-Jährigen, nominale Ausgaben)

Methodischer Hinweis: Bei den finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung werden die Ausgaben der Kommunen für die Durchführung der Leistungen sowie die einrichtungsbezogenen Aufwendungen des öffentlichen Trägers für eigene Einrichtungen und die Fördergelder an freie Träger mitberücksichtigt. Dies gilt im Besonderen für die Erziehungsberatung und die Einrichtungen der Heimerziehung.
Die Bevölkerungsdaten beziehen sich bis 2013 auf Fortschreibungen mit Basisjahr 1987 und 1990 sowie ab 2014 auf die Fortschreibung des Zensus 2011.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Anstieg der Aufwendungen für Hilfen in allen Leistungssegmenten

In den letzten Jahren haben diverse Faktoren Einfluss auf die Entwicklung der finanziellen Aufwendungen genommen. Die größte Rolle spielt die Fallzahlentwicklung – je mehr Fälle, desto höher sind auch die Ausgaben (für die Entwicklung der Fallzahlen vgl. Kapitel 2, 3 und 4). Über die allgemeinen Faktoren hinaus zeigen sich zwischen den einzelnen Leistungssegmenten unterschiedliche Entwicklungen:

  • Der Anstieg der Ausgaben für die Hilfen zur Erziehung war in den 2000er-Jahren vor allem auf Mehrausgaben im Bereich der ambulanten Leistungen jenseits der Erziehungsberatung zurückzuführen. In der zweiten Dekade und insbesondere zwischen 2015 und 2017 sind jedoch die Ausgaben für Fremdunterbringung (Vollzeitpflege und insbesondere Heimerziehung) stärker gestiegen als die finanziellen Aufwendungen für ambulante Leistungen. Dies ist dadurch zur erklären, dass in diesem Zeitraum ein besonders hoher Bedarf an diesen Leistungen für unbegleitete ausländische Minderjährige bestand und somit auch mehr Fremdunterbringungen durchgeführt wurden.
  • Die finanziellen Aufwendungen für die Erziehungsberatung sind zwischen 2000 und 2010 nominal um 19% und zwischen 2010 und 2022 um 30% gestiegen. Der Anstieg in der zweiten Dekade liegt nur geringfügig über der allgemeinen Preissteigerungsrate in diesem Zeitraum. „Real“, d.h. unter Berücksichtigung der allgemeinen Preissteigerungsrate, sind die Ausgaben für die Erziehungsberatung seit 2010 um 1% gestiegen. Zwischen 2021 und 2022 sind die Aufwendungen für die Erziehungsberatung nominal um 4% gestiegen, aufgrund der Inflation sanken die Ausgaben real allerdings um 1%.
  • Die Ausgaben für ambulante Leistungen der Hilfen zur Erziehung haben sich zwischen 2000 und 2010 mit einer Steigerung von 116% mehr als verdoppelt. Im Zeitraum von 2010 bis 2022 ist noch eine nominale Zunahme der finanziellen Aufwendungen um 59% zu beobachten. Real stiegen die Ausgaben seit 2010 um 31%. Die Jahre mit den stärksten Zuwachsraten liegen im Jahr 2008 und 2009. Nachdem die Aufwendungen für ambulante Hilfen zwischen 2018 und 2021 nominal jeweils um 6% und real um 3-4% gestiegen sind, wurden 2022 nominal nur 2% mehr Aufwendungen für die ambulanten Hilfen zur Erziehung aufgebracht. Real entspricht dies einem Rückgang von 3%.
  • Bei den Fremdunterbringungen für Kinder und Jugendliche sind die Ausgaben zwischen 2000 und 2022 um 140% gestiegen. Insbesondere in der zweiten Dekade von 2010 bis 2022 ist ein starkes Wachstum von 84% zu verzeichnen. Berücksichtigt man jedoch die allgemeine Preissteigerung, relativiert sich dieser Ausgabenanstieg auf 55% zwischen 2010 und 2022. Zwischen 2021 und 2022 stiegen die Aufwendungen nominal um 4%, unter Berücksichtigung der Preissteigerungen sanken sie allerdings real um 1%.
  • Der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für die Fremdunterbringungen ging zwischen 2010 und 2022 in einer Größenordnung von 2,35 Mrd. EUR auf die Leistungen der Heimerziehung (+78%) zurück (ohne Abb.). Dabei sind die Ausgaben für Leistungen der Heimerziehung zwischen 2015 und 2016 um 0,94 Mrd. EUR (+24%) gestiegen; in den Jahren 2016 und 2017 lag diese Rate wiederum bei knapp 3%. Erstmals seit dem Jahr 2000 sanken die Ausgaben 2018 um 0,18 Mrd. EUR (-4%). Seit 2019 steigen die Aufwendungen für die Heimerziehung wieder moderat an. Im Jahr 2022 stiegen die Ausgaben nominal um 4% im Vergleich zum Vorjahr, real sanken sie allerdings um 1%.
  • In der Ausgabenentwicklung der ambulanten und stationären Hilfen für junge Volljährige lassen sich Ähnlichkeiten zur Entwicklung der Ausgaben der Fremdunterbringung erkennen. Die Ausgaben für Hilfen für junge Volljährige steigen bis 2015 moderat an und nehmen dann in den Jahren 2016, 2017 und 2018 sprunghaft zu. Zwar liegen die absoluten Zahlen deutlich unter der Ausgabenhöhe für Fremdunterbringung, der prozentuale Zuwachs von 2015 bis 2018 für die Hilfen für junge Volljährige (+94%) übersteigt jedoch den Zuwachs der Fremdunterbringung (+20%) signifikant. Hintergrund dieses bis 2018 anhaltend starken Zuwachses ist das Erreichen der Volljährigkeit von jungen Geflüchteten, welche seit 2015 in Deutschland Schutz gesucht haben, und der damit verbundene höhere Bedarf für Hilfen für junge Volljährige. 2019 und 2020 sanken die Ausgaben für die Hilfe für junge Volljährige wieder. 2022 sind die Aufwendungen wieder nominal um 4% angestiegen, unter Berücksichtigung der Preissteigerungen sinken sind die Ausgaben real allerdings seit 2019 jedes Jahr gesunken, 2022 um 2%. 
  • Die Ausgaben für Einrichtungen der Hilfen zur Erziehung und für Einrichtungen für Hilfen für junge Volljährige und für Inobhutnahmen sind zwischen 2000 und 2010 zunächst um 14% zurückgegangen. Für den Zeitraum zwischen 2010 und 2022 ist hingegen ein Anstieg dieses Ausgabenpostens von 71% zu verzeichnen. In diesem Zeitraum gab es die stärksten Zuwächse in den Jahren 2014 (+14%), 2015 (+9%) und 2016 (+19%). Anschließend sind die Zahlen 2017 (-2%) leicht zurückgegangen. 2018 blieben sie konstant und seit 2019 steigen die einrichtungsbezogenen Ausgaben wieder an, wobei die Veränderung zwischen 2020 und 2021 mit 4% kaum über der der allgemeinen Preissteigerungsrate liegt. 2022 sanken die nominalen Ausgaben um 5%, real sanken sie um 10%.
ABB. 5.3:

Ausgaben für Hilfen zur Erziehung nach Leistungssegmenten, für Hilfen für junge Volljährige und einrichtungsbezogene Ausgaben (Deutschland; 2000 bis 2022; Angaben in 1.000 EUR; nominale Ausgaben)

Methodischer Hinweis: Da die Ausgaben für junge Volljährige sowie die einrichtungsbezogenen Ausgaben über die amtliche Statistik nicht weiter differenziert werden und somit den unterschiedlichen Leistungssegmenten nicht zuzuordnen sind, werden diese beiden Ausgabenposten in dieser Darstellung getrennt ausgewiesen.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen; versch. Jahrgänge; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

46% der „HzE-Mittel“ werden für Heimerziehung ausgegeben

Einer der zentralen Aspekte für die Unterstützung bzw. Ergänzung der familiären Erziehung ist die Ausdifferenzierung der Hilfen zur Erziehung insbesondere im Bereich der ambulanten Leistungen. Hier hat das SGB VIII unterschiedliche pädagogische Settings rechtlich kodifiziert, ohne einen abschließenden Katalog festgeschrieben zu haben.5 Gleichwohl zeigt die Verteilung der Ausgaben, dass mit 46% fast die Hälfte der finanziellen Aufwendungen für die Heimerziehung aufgewendet wird (vgl. Abb. 5.4). Damit wird etwa jeder zweite Euro für Leistungen der Hilfen zur Erziehung für die Heimerziehung eingesetzt. Die damit verbundenen 5,3 Mrd. EUR sind mit Abstand der größte Einzelposten in den Hilfen zur Erziehung. Zusammen mit der Vollzeitpflege liegt der Anteil der Ausgaben für die Fremdunterbringung von Kindern und Jugendlichen sogar bei 59%. Grund dafür ist in erster Linie nicht die Zahl der Inanspruchnahmen einzelner Leistungen, sondern vielmehr der für die Leistungserbringung notwendige Personalumfang.

Jeweils ähnlich große Anteile der Gesamtausgaben entfallen auf eben die Vollzeitpflege (12%), die Hilfen für junge Volljährige (11%) und die Sozialpädagogische Familienhilfe (11%). Weitere 5% des Gesamtbudgets werden jeweils für die Finanzierung von teilstationären Hilfen, insbesondere in Tagesgruppen, und für flexible 27,2er-Hilfen jenseits des rechtlich kodifizierten Leistungskanons eingesetzt. Ambulante Leistungen wie die Soziale Gruppenarbeit oder die Erziehungsbeistandschaften weisen gerade einmal einen Anteil von 1% bis 3% an den Gesamtausgaben aus (vgl. Abb. 5.4).

Etwa 4% der insgesamt aufgewendeten 11,51 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung werden entweder direkt für die Durchführung von Leistungen oder in Form einer institutionellen Finanzierung für die Erziehungsberatung ausgegeben.

Abb. 5.4:

Verteilung der Ausgaben für Hilfen zur Erziehung nach Hilfearten und für Hilfen für junge Volljährige (Deutschland; 2022; Angaben in %; nominale Ausgaben)

Ausgaben
insgesamt
11,51 Mrd. EUR

Anmerkung: Die einrichtungsbezogenen Ausgaben für Fremdunterbringung sowie für Hilfen für junge Volljährige wurden hier ausgeklammert, da diese nicht eindeutig zu einer Hilfeart zuzuordnen sind. Werden diese Ausgaben berücksichtigt, beträgt das Gesamtvolumen der finanziellen Aufwendungen 11,59 Mrd. EUR (vgl. Abb. 5.2). Bei der Erziehungsberatung wurden entsprechende einrichtungsbezogene Ausgaben berücksichtigt, da diese konkret zugeordnet werden können.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2022; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Länderunterschiede bei der Höhe der finanziellen Aufwendungen

  • Die Ergebnisse zu den finanziellen Aufwendungen für die Strukturen und vor allem für die Durchführung der Leistungen der Hilfen zur Erziehung sind trotz einheitlicher gesetzlicher Grundlagen – so wie auch bei den Fallzahlen und Inanspruchnahmequoten (vgl. Kap. 2) – durch erhebliche regionale Unterschiede gekennzeichnet (vgl. Abb. 5.5). Für die Bundesländer lassen sich folgende Ergebnisse festhalten: Im Ländervergleich variiert die Höhe der finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung zwischen 406 EUR pro unter 21-Jährigen in Bayern und 1.462 EUR im Stadtstaat Bremen. Damit variieren die „Pro-Kopf-Ausgaben“ zwischen den genannten Bundesländern um den Faktor 3,6.
  • Nicht zuletzt weil in den Stadtstaaten tendenziell mehr Leistungen der Hilfen zur Erziehung in Anspruch genommen werden als in den Flächenländern (vgl. Kap. 4), ist es sinnvoll, auch bei den Ergebnissen zu den Ausgaben für diesen Bereich eine entsprechende Unterscheidung vorzunehmen. Dabei variiert im Verhältnis zu den unter 21-Jährigen die Ausgabenhöhe in den Stadtstaaten zwischen 864 EUR (Berlin) und 1.462 EUR (Bremen), während in den Flächenländern eine Schwankungsbreite zwischen 406 EUR (Bayern) und 937 EUR (Sachsen-Anhalt) zu konstatieren ist.
  • Innerhalb der Flächenländer fällt das Ergebnis für Sachsen-Anhalt um 22 EUR pro unter 21-Jährigen höher aus als der Wert für Brandenburg mit 915 EUR, der an zweiter Stelle steht. Es folgen mit 869 EUR Nordrhein-Westfalen und mit 800 EUR Mecklenburg-Vorpommern; dahinter stehen Rheinland-Pfalz und das Saarland mit 791 und 788 EUR. Niedersachsen schließt sich mit 780 EUR an. Weniger als 750 EUR pro unter 21-Jährigen fallen demgegenüber in Sachsen, Hessen, Schleswig-Holstein, Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern an. 
  • Diese Verteilung korrespondierte in den letzten Jahren an vielen Stellen mit der Höhe der Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung, insbesondere mit der Höhe der Fremdunterbringungen (vgl. Kap. 2).6 Das heißt: Bei einer hohen Inanspruchnahme von Leistungen der Hilfen zur Erziehung in einem Bundesland ist tendenziell von höheren finanziellen Aufwendungen für dieses Arbeitsfeld auszugehen.
  • Auch die Entwicklung der Ausgaben zwischen 2021 und 2022 unterscheidet sich stark zwischen den Bundesländern. Hier reicht die Spannweite der nominalen Entwicklung von -3% in Bremen bis zu +8% in Brandenburg. Die meisten Länder haben ihre Ausgaben für Hilfen zur Erziehung im Vergleich zum Vorjahr gesteigert. Nur in Bremen sind die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr gesunken. Unter Berücksichtigung der Preissteigerungen zeigt sich jedoch ein anderes Bild, real stiegen nur in Brandenburg und Sachsen die Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung um jeweils rund 1%. In Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein blieben sie nahezu auf dem Niveau des Vorjahres und sanken in den verbleibenden Bundesländern um bis zu 10% (Bremen).
ABB. 5.5:

Ausgaben für Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) (Länder; 2022; Angaben pro unter 21-Jährigen; nominale Ausgaben)

Anmerkung: Zur Berechnungsgrundlage der finanziellen Aufwendungen für die Bundesländer siehe auch den methodischen Hinweis zu Abb. 5.2.
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2022; eigene Berechnungen

Erkenntnisse und Perspektiven

Die Jugendämter in Deutschland haben im Jahre 2022 11,98 Mrd. EUR für die Hilfen zur Erziehung und die Hilfen für junge Volljährige ausgegeben. Diese Summe entspricht einem Anteil von 18% an den Gesamtaufwendungen für Leistungen und Strukturen der Kinder- und Jugendhilfe insgesamt. Im Verhältnis aller in Deutschland lebenden jungen Menschen im Alter von unter 21 Jahren entsprechen die zuletzt erfassten Jahresausgaben einem Betrag von 717 EUR pro jungem Menschen. Im Jahre 2000 lag dieser Wert noch bei 257 EUR.

Die Höhe der finanziellen Aufwendungen ist allerdings regional in hohem Maße unterschiedlich. Während für Deutschland insgesamt die Ausgaben pro unter 21-Jährigen für Strukturen und vor allem Leistungen der Hilfen zur Erziehung bei den besagten 717 EUR liegen, variiert dieser Wert zu den „Pro-Kopf-Ausgaben“ im Vergleich der Flächenländer zwischen 406 EUR in Bayern und 937 EUR in Sachsen-Anhalt. In den Stadtstaaten fällt diese Kennzahl höher aus. Im Stadtstaat Bremen werden – statistisch betrachtet – rund 1.462 EUR pro unter 21-Jährigen ausgegeben.

Der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für das Arbeitsfeld der Hilfen zur Erziehung verteilt sich nicht gleichermaßen auf die Leistungssegmente und die Hilfearten. Während insbesondere für die Erziehungsberatung die Ausgabenzuwächse zwischen 2000 und 2022 vergleichsweise spärlich ausfallen, sind vor allem die finanziellen Aufwendungen für die ambulanten Leistungen in der ersten Dekade der 2000er-Jahre – aber auch schon in den 1990er-Jahren – deutlich und kontinuierlich gestiegen. Die zweite Dekade zeichnete sich zeitweise dadurch aus, dass im Bereich der Fremdunterbringungen die Ausgaben für die Vollzeitpflege und insbesondere für die Heimerziehung sowie anschließend auch für die Hilfen für junge Volljährige deutlich zugenommen haben. 2018 wurde jedoch aufgrund rückläufiger Bedarfslagen für unbegleitete ausländische Minderjährige gegenüber dem Vorjahr7 ein sinkender Ausgabenwert ausgewiesen. Nach einer kurzen Stagnation im Jahr 2019 steigen die Werte seit 2020 erneut an.

Da ein Großteil der Kosten bei den Angeboten der Kinder- und Jugendhilfe auf den Posten Personal entfällt, ist der Anstieg der finanziellen Aufwendungen für Hilfen zur Erziehung neben der leicht höheren Inanspruchnahme zum Vorjahr höchstwahrscheinlich auf die Entwicklung der Personalzahlen sowie der Personalkosten zurückzuführen. Dieser Zusammenhang kann auf der Basis der Entwicklung von Vollzeitäquivalenten und Ausgaben für Hilfen zur Erziehung in den letzten Jahren festgestellt und auch für die Ausgaben 2021 und 2022 vermutet werden. Eine Fortschreibung des Vergleiches ist allerdings nicht ohne Weiteres möglich, da 2022 eine vollständig neu konzipierte Träger- und Personalstatistik eingeführt wurde. 

Blickt man auf die aktuellen Entwicklungen und Debatten in den Hilfen zur Erziehung, ist zunächst davon auszugehen, dass die Ausgaben auch künftig steigen werden. Es ist bereits jetzt bei den ambulanten Hilfen zu beobachten, dass die Inanspruchnahmezahlen nach dem Rückgang durch die Coronapandemie wieder ansteigen und vermutlich auch zukünftig weiter zunehmen werden. Auch die steigenden Inobhutnahmezahlen von unbegleiteten minderjährigen Ausländer:innen werden sich auf die Hilfen zur Erziehung auswirken und zu umfangreicheren Ausgaben führen. Ebenso wird die im Frühjahr 2023 ausgehandelte Tariferhöhung im öffentlichen Dienst in Form von Einmalzahlungen im Jahr 2023 und einer Erhöhung der Entgelte von +5,5% ab 2024 zu einem Anstieg in den Gesamtausgaben führen. Ob sich solche Ausgabensteigerungen jedoch in ähnlichem Maße in den „realen“, preisbereinigten Ausgaben niederschlagen, ist fraglich, da die allgemeine Inflationsrate im Jahr 2022 bereits 5,5% betrug (vgl. AK VGRDL 2024). Weiterhin bleibt abzuwarten, in welcher Intensität es zu einem Ausbau der Hilfen zur Erziehung kommen wird, da die benötigten Mittel zunächst durch die öffentliche Hand zur Verfügung gestellt werden müssen, was in Zeiten knapper Kassen nicht selbstverständlich vorausgesetzt werden kann. Zudem deuten die jüngsten Hilferufe der Fachpraxis nach qualifizierten Fachkräften darauf hin, dass das Wachstum vor allem auch durch fehlendes Personal gebremst werden könnte. Hier wird es darauf ankommen, welche Strategien die Politik entwickelt und wie erfolgreich diese dem hohen Fachkräftebedarf entgegenwirken können.

Literatur:

[AK VGRDL] Arbeitskreis „Volkswirtschaftliche Gesamtrechnungen der Länder“ im Auftrag der Statistischen Ämter der 16 Bundesländer, des Statistischen Bundesamtes und des Bürgeramtes, Statistik und Wahlen (Hrsg.) (2024): Bruttoinlandsprodukt, Bruttowertschöpfung in den Ländern der Bundesrepublik Deutschland 1991 bis 2023. Reihe 1, Länderergebnisse Band 1. Stuttgart.

Fendrich, S./Tabel, A./Erdmann, J./Frangen, V./Göbbels-Koch, P./Mühlmann, T. (2023): Monitor Hilfen zur Erziehung 2023. Dortmund.

Schilling, M. (2011): Der Preis des Wachstums, In: Th. Rauschenbach, M. Schilling (Hrsg.): Kinder- und Jugendhilfereport 3, Weinheim und München, S. 67-86.

Wapler, F. (2022): Vierter Abschnitt. Hilfe zur Erziehung, Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfe für junge Volljährige. Vorbemerkungen, In: R. Wiesner, F. Wapler (Hrsg.): SGB VIII. Kinder- und Jugendhilfe. Kommentar. 6. Auflage. München, S. 506-516.

  1. Der Betrag von 11,98 Mrd. EUR setzt sich aus den Ausgaben für Einzel- und Gruppenhilfen der Hilfen zur Erziehung und den Hilfen für junge Volljährige sowie den Ausgaben für Einrichtungen der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen und Einrichtungen für Hilfe zur Erziehung und Hilfe für junge Volljährige sowie für die Inobhutnahme zusammen. Diese sind der Veröffentlichung des Statistischen Bundesamtes zu den Ausgaben und Einnahmen der Kinder- und Jugendhilfe 2022 entnommen – siehe hierzu auch Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2022, Tabelle 2 und 3 (www.destatis.de). Die folgenden Berechnungen beziehen sich stets auf die 11,98 Mrd. EUR als Ausgaben für Hilfen zur Erziehung.
  2. Die Summe von 14,86 Mrd. EUR, die vom statistischen Bundesamt als Gesamtbetrag für Hilfen zur Erziehung, Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, Hilfen für junge Volljährige und vorläufige Schutzmaßnahmen ausgewiesen wird, beinhaltet, bis auf die Ausgaben für Einrichtungen der Erziehungs-, Jugend- und Familienberatungsstellen, alle Ausgaben der zuvor benannten Posten. Daneben werden noch die Einzel- und Gruppenhilfen der Eingliederungshilfen für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche, der Hilfen für junge Volljährige und der vorläufigen Maßnahmen zum Schutz von Kindern und Jugendlichen eingerechnet – siehe hierzu ebenfalls Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Ausgaben und Einnahmen 2022, Tabelle 2 und 3 (www.destatis.de).
  3. Bei der Entwicklung der finanziellen Aufwendungen sollte – insbesondere für den Zeitraum von Mitte der 2000er-Jahre bis Anfang der 2010er-Jahre – die Umstellung der kommunalen Haushalte von der Kameralistik auf die Doppik bzw. die Regelungen der Länder zum kommunalen Haushaltswesen beachtet werden. Aufgrund von Umstellungen in der Kostenzuordnung konnte es zu einem Anstieg der finanziellen Aufwendungen für die Hilfen zur Erziehung kommen, ohne dass real mehr Ausgaben seitens der Kommune für diesen Leistungsbereich aufgewendet worden wäre (vgl. Schilling 2011, S. 71f.). Auch wenn diese Umstellung in den meisten Ländern abgeschlossen ist, ist diese in drei Bundesländern weiterhin möglich. Der Einfluss dieser Umstellung auf die Gesamtausgaben lässt jedoch stetig nach.
  4. Zur Berechnung der preisbereinigten Ausgaben wird auf den sogenannten BIP-Deflator zurückgegriffen (vgl. AK VGRDL 2024). Der BIP-Deflator ermöglicht es, die allgemeine Preissteigerung innerhalb Deutschlands als Indexwert zu berechnen.
  5. Vgl. Wapler 2022, S. 508
  6. Vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2021
  7. Vgl. Fendrich u.a. 2023