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3. Lebenslagen der Adressat:innen von Hilfen zur Erziehung

3.1 Familienstatus

Über die Ergebnisse der amtlichen Kinder- und Jugendhilfestatistik zum Familienstatus können vor allem Aussagen über die Situation in der Herkunftsfamilie gemacht werden. Mit Blick auf die Eltern des jungen Menschen bzw. den Elternteil, bei dem das Kind bzw. der/die Jugendliche lebt, wird unterschieden zwischen zusammenlebenden Eltern, Alleinerziehenden und Elternteilen, die mit einem neuen Partner bzw. einer neuen Partnerin zusammenleben.1

Die Analyse zeigt ein eindeutiges Ergebnis: Während Erziehungsberatung2 am stärksten von zusammenlebenden Eltern mit und ohne Trauschein nachgefragt wird, werden ambulante Hilfen und Fremdunterbringungen mehrheitlich von Alleinerziehenden in Anspruch genommen (vgl. Abb. 3.1). Hier stellen sich Fragen, inwiefern die Lebenslage „Alleinerziehend“ das alltägliche Erziehungsgeschehen belastet, aber auch, inwieweit bei Alleinerziehenden bestimmte Filter- und Zuweisungsprozesse in der Wahrnehmung der Fachkräfte in den Sozialen Diensten erfolgen.

Mit Blick auf die konkreten Zahlen zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen den Leistungssegmenten. Erziehungsberatungen erhalten in 43% der Fälle zusammenlebende Eltern. Der Anteil dieser Familienform fällt hingegen in den Hilfen zur Erziehung (ohne § 28 SGB VIII) mit 27% wesentlich geringer aus. Hier werden etwa 48% der Fälle für Alleinerziehende gewährt. Der Anteil der Alleinerziehenden beträgt bei den ambulanten Leistungen ebenfalls 48%. Auch hilfeartspezifisch zeigt sich ein unterschiedliches Bild bei der Verteilung der Familienformen. Im ambulanten Hilfesetting sind die Alleinerziehenden mit 40% anteilig am geringsten bei der Intensiven Sozialpädagogischen Einzelbetreuung vertreten. Der höchste Anteil wird für die Sozialpädagogische Familienhilfe ausgewiesen (52%). Hierbei hat sich die Differenz zwischen der Hilfe mit dem höchsten und der Hilfe mit dem geringsten Anteil im ambulanten Hilfesetting im Vergleich zu 2019 um etwa 4% auf 12 Prozentpunkte verringert.

Bei Fremdunterbringungen wird aktuell ein Anteil von 49% an Alleinerziehendenfamilien gemessen. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 2019, wie bereits im Vorjahr, weiter erhöht (+2 Prozentpunkte). Zwischen 2014 und 2016 war dieser Anteil gesunken, da Lebensumstände, bei denen die Eltern junger Menschen verstorben oder unbekannt sind (2016 betrug deren Anteil 35%) stärker in den Fokus gerückt waren. Es ist davon auszugehen, dass die damaligen Veränderungen auf die in diesem Zeitraum größer gewordene Adressatengruppe der unbegleiteten ausländischen Minderjährigen und deren Lebensumstände zurückzuführen sind. Nunmehr haben sich die Verteilungen wieder allmählich denen aus den Jahren vor 2015 angenährt.3

ABB. 3.1:

Hilfen zur Erziehung (einschließlich der Hilfen für junge Volljährige) nach Familienstatus und Hilfearten (Deutschland; 2020; begonnene Hilfen; Angaben in %)

* Einschließlich der sonstigen Hilfen
Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige 2020; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik

Bei der länderspezifischen Betrachtung der Alleinerziehendenquote in den erzieherischen Hilfen bilden sich regionale Unterschiede ab (vgl. Tab. 3.1).4 Dies gilt sowohl für die Erziehungsberatung als auch für die Hilfen zur Erziehung, die über den ASD organisiert werden. Der bundesweit ausgewiesene Anteil der Alleinerziehenden in den erzieherischen Hilfen (ohne Erziehungsberatung) von 48% reicht von 44% in Bayern und Saarland bis zu 53% in Thüringen. In den ostdeutschen Ländern fällt die Quote mit 51% etwas höher als für die westdeutschen Länder aus (48%).

Für die Erziehungsberatung wird deutschlandweit mit 40% eine geringere Alleinerziehendenquote ausgewiesen. Deutliche regionale Unterschiede zeigen sich aber auch hier: Während die Quote im Saarland bei 35% liegt, ist beinahe jede zweite Familie, die eine Erziehungsberatung in den Stadtstaaten Berlin (47%) oder Hamburg (50%) erhält, alleinerziehend.

Unter Berücksichtigung der Alleinerziehendenquote in der Bevölkerung, die 2020 bei 17% liegt, zeigt sich eine deutliche Überrepräsentanz dieser Adressatengruppe in den Hilfen zur Erziehung – für die vom ASD organisierten Hilfen noch stärker als für die Erziehungsberatung. Mit Blick auf die Hilfen zur Erziehung (ohne Erziehungsberatung) reicht das Spektrum der Differenz zwischen der Alleinerziehendenquote in den Hilfen zur Erziehung und in der Bevölkerung zwischen 19 Prozentpunkten in Bremen und 33 Prozentpunkten in Nordrhein-Westfalen (vgl. Tab. 3.1). In den meisten Ländern deuten sich Parallelen zwischen der Alleinerziehendenquote in den erzieherischen Hilfen und der in der Bevölkerung an. Tendenziell zeigt sich, dass in vielen Ländern mit einem höheren Anteil an Alleinerziehenden in der Bevölkerung auch deren Anteil in den Hilfen zur Erziehung höher ist. Besonders stark zeigt sich dieser Zusammenhang in Bremen. Für Nordrhein-Westfalen gilt dies hingegen umso weniger.

Tab. 3.1:

Hilfen zur Erziehung (einschl. der Hilfen für junge Volljährige) nach Alleinerziehendenstatus im Vergleich zu dem Anteil der Alleinerziehenden in der Bevölkerung (Länder; 2020; begonnene Hilfen; Angaben absolut und in %)

BundeslandFamilien in Erziehungsberatung 2020 (abs.)Darunter Alleinerziehende in Erziehungsberatung 2020 (in %)Familien in Hilfen zur Erziehung (ohne § 28 SGB VIII) 2020 (abs.)Darunter Alleinerziehende in Hilfen zur Erziehung (ohne § 28 SGB VIII) 2020 (in %)Alleinerziehende in der Bevölkerung 2020 (in %)
Baden-Württemberg34.25137,419.36845,013,8
Bayern36.81338,216.98643,912,8
Berlin15.06047,114.88851,826,7
Brandenburg9.18942,26.55349,020,9
Bremen1.39045,42.78047,028,1
Hamburg4.10549,68.35749,823,8
Hessen18.35442,09.88846,617,2
Mecklenburg-Vorpommern3.03443,74.64050,424,8
Niedersachsen27.79439,819.51347,416,6
Nordrhein-Westfalen69.96237,446.03250,117,1
Rheinland-Pfalz12.49037,09.68044,615,5
Saarland1.55135,02.29943,818,9
Sachsen15.93941,97.38650,822,6
Sachsen-Anhalt7.82739,84.58052,224,8
Schleswig-Holstein14.67441,06.82547,217,2
Thüringen7.85542,13.83253,024,5
Westdeutschland (einschl. Berlin)236.44439,3156.61647,816,5
Ostdeutschland43.84441,826.99150,923,2
Deutschland280.28839,6183.60748,217,4

Quelle: Statistisches Bundesamt: Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe – Erzieherische Hilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige 2020; Datenzusammenstellung und Berechnungen der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik; Statistisches Bundesamt: Bevölkerung und Erwerbstätigkeit, Haushalte und Familien, Ergebnisse des Mikrozensus 2020

Literatur:

Fendrich, S./Pothmann, J./Tabel, A. (2021): Monitor Hilfen zur Erziehung 2021. Dortmund, S. 19 ff.

  1. Ferner kann im Erhebungsbogen auf die Frage nach der Situation in der Herkunftsfamilie angegeben werden, dass die Eltern verstorben sind oder aber dass nichts weiter über die Eltern bekannt ist.
  2. Für die Erziehungsberatung gilt bei der Erfassung von Daten die Besonderheit, dass sofern nicht alle Informationen zur Lebenssituation der beratenden Familien bekannt sind, die Angaben beim Ausfüllen des Erhebungsbogens weggelassen werden können. Es ist nicht auszuschließen, dass die in diesem Kapitel ausgewiesenen Daten zu den Lebenslagen der Familien in der Erziehungsberatung nicht vollständig sind.
  3. Vgl. Fendrich/Pothmann/Tabel 2021, S. 20ff.